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Giftskandal in aller Munde Giftskandal in aller Munde Erschienen in: esotera 6/1995 (Seite 34-39)

Nicht nur Amalgam - Zeitbomben in unseren Zähnen - Der Giftskandal in aller Munde

Zahnfüllungen sind eine noch viel schlimmere Giftquelle, als bisher bekannt geworden ist. Wider besseres Wissen wurden giftige Metallegierungen sogar zur Kassen-Regelversorgung erklärt. Es findet, sagen Experten, ein unglaublicher illegaler „Großversuch" an der Bevölkerung statt

Von Ulrich Arndt

Spektakuläre Heilungen nach einer Zahnsanierung und anschließenden Entgiftung des Körpers sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Der Grund für diese Erfolge: „60 bis 70 Prozent aller chronischen Krankheiten können dauerhaft nur geheilt werden, wenn gleichzeitig die schleichende Vergiftung durch Zahnmetalle - vor allem durch Amalgam und Palladium-Legierungen - gestoppt wird. Zu einer ganzheitlichen Heilung gehört die biologische Zahnsanierung und begleitende Entgiftung unbedingt mit dazu", weiß Dr. Jochen Keils, naturheilkundlich praktizierender Facharzt für Allgemeinund Sportmedizin und Leiter der „PraxisKlinik Silvana" in Euskirchen-Kirchheim aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung. Heute erkennen dies immer mehr Ganzheitsmediziner und Heilpraktiker und suchen die enge Zusammenarbeit mit aufgeschlossenen Zahnärzten.
Gesundheitsschäden, die durch Amalgam und das darin enthaltene Quecksilber zumindest teilweise ausgelöst wurden, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Längst mehren sich die Fälle, in denen andere Zahnmetall-Legierungen und -füllstoffe schwere Krankheiten verursacht haben sollen. Das zumindest behaupten Patienteninitiativen, ganzheitlich praktizierende Zahnärzte sowie einzelne Toxikologen und andere Wissenschaftler. Erkrankungen des Nervensystems, ein geschwächtes Immunsystem, Nieren- und Blasenschmerzen, Knochenveränderungen, Gelenkschwellungen, Bronchitis, Entzündungen der Nasennebenhöhlen, Herzrhythmusstörungen, Muskelzucken, Depressionen im Wechsel mit nervöser Gereiztheit, Ekzeme und Allergien hätten ihre tiefere Ursache in der schleichenden Vergiftung durch Zahnfüllstoffe.
Ü ber 100 verschiedene Symptome allein für eine chronische Quecksilbervergiftung durch Amalgam hat der Münchner Toxikologe und Internist Dr. Max Daunderer ermittelt. „Quecksilber aus Amalgam wirkt sich schädigend auf das Immunsystem aus, und Krankheits- und Tumorabwehr werden nachweisbar geschwächt", betont auch Dr. Peter Schleicher. Der Immunologe zählt als Mitglied der „Westlichen Akademie der Wissenschaften" zu den 500 angesehensten Ärzten in der westlichen Welt.
Erste Symptome für Zahnmetall-Vergiftungen sind vermehrter Speichelfluß, fauliger Mundgeruch, Zungenbrennen, Geschmacksveränderungen, Mattigkeit, Gliederschmerzen, vom Nacken ausgehende Kopfschmerzen, Hals- und Kieferentzündungen (s. Kasten S.36). Hinzu kommen die Folgen schlechter Paßform von Füllungen, Inlays, Kronen und Brükken. Auch sie können zu erheblichen Beschwerden führen. „Die weitverbreiteten Nackenverspannungen, nächtliches Zähneknirschen, Kopfschmerzen, Migräne, Depressionen, Sehstörungen, Gesichtsasymmetrien, Nervenentzündungen im Gesichtsbereich, Gleichgewichtsstörungen und Tinnitus sind nicht selten direkte Folgen unsachgemäß angefertigten Zahnersatzes", weiß Zahnarzt Jürgen Neuenhausen, Gründer der ersten ganzheitlichen Zahnklinik Deutschlands in Swistal/Heimerzheim bei Bonn.
„ Inkompetenz und einen unglaublichen Schlendrian" wirft auch Dr. med. dent. Eberhard Riedel mindestens 10000 deutschen Zahnärzten - rund einem Fünftel der Branche - in seinem Buch „Patient beim Zahnarzt. Bohrer, Brecher, Beutelschneider?" vor. Grundlage dafür sind zwei Studien, die vom „Bundesverband der Betriebskrankenkassen" und an der „Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik" der Universität Münster durchgeführt wurden. Alles nur „Amalgam-Phobie", verkünden dagegen Krankenkassen, Bundeszahnärztekammer und Gesundheitsbehörden und siedeln die Krankheitsursachen vorwiegend in der Psyche an. Zwar wurden bei Menschen mit vielen Amalgam-Füllungen und Neugeborenen, deren Mütter mehrere dieser Plomben haben, größere Quecksilbermengen im Körper gefunden - sogar in eindeutigem Zusammenhang zu der Anzahl der Plomben. Daß dieses Quecksilber jedoch ausreiche, den Menschen krank zu machen, wird bestritten. So müssen Zahnmetall-Geschädigte zum Beispiel an der für Gutachten zuständigen Universitätsklinik Münster einen umfangreichen Fragebogen zu psychischen Störungen ausfüllen. „Gleichzeitig mißtraut man dort bei hohen Werten den selbst gemessenen Quecksilber-Belastungen", sagt Brigitte Peters, Vorsitzende der „Interessengemeinschaft für Zahnmetallgeschädigte e. V." (IGZ). Mehrere Patienten hatten sich deshalb hilfesuchend an den Verein gewendet.

Gefahr bei Legierungen aus Palladium

Eine Gefahr für die Gesundheit besteht nach Meinung des AOK-Bundesverbands lediglich bei Menschen, die eine Amalgam-Allergie haben. Auf Anfrage wird lapidar mitgeteilt, weltweit seien nur rund 100 dieser Allergiker bekannt. So versteht auch das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" (früher Bundesgesundheitsamt) seine Empfehlung, Amalgam bei Schwangeren, Kindern, Nierenkranken und seit 1. 7.1995 auch bei stillenden Müttern möglichst nicht mehr zu verwenden, als „reine Vorsichtsmaßnahme" im Sinne eines „vorbeugenden Gesundheitsschutzes".
Was zunächst nur ein weiteres Beispiel für die Gegensätzlichkeit der medizinischen Ansätze von Schulmedizin und ganzheitlicher Heilkunde zu sein scheint, offenbart sich bei näherer Betrachtung allerdings als eine Anhäufung unglaublicher Skandale, die den aktuellen Eklat um verseuchte Blutkonserven noch übertreffen. Wider besseres Wissen und mit unglaublicher Leichtfertigkeit wird eine mögliche Gesundheitsschädigung Tausender von Menschen in Kauf genommen
- zum Beispiel beim Skandal um die sogenannten Palladium-Legierungen, die für Kronen, Brücken und Inlays verwendet werden.

Dr. Jochen KeilsDr. Jochen Keils erkennt anhand eines Muskeltests die krankmachende Wirkung von Zahnmetallen

 

„Acht Stunden nach dem Zahnarztbesuch bekam ich heftige Zahnschmerzen", erinnert sich Brigitte Peters. Ihr waren mehrere Amalgamfüllungen entfernt und dafür Kronen aus „Spargold" angefertigt worden - palladiumhaltige Legierungen wie „Simidur S2", die von den Krankenkassen statt der wesentlich teureren Goldlegierungen in vollem Umfang finanziert werden. Kaum hatte sie diese eingesetzt bekommen, wußte sie sich vor Schmerzen nicht mehr zu helfen. Damit begann für sie ein sechs Jahre langer Leidensweg. „Ich bekam einen Herzinfarkt, Lähmungen, schwere Sehstörungen, Todesangst und wurde immer apathischer", berichtet Frau Peters. Körper und Geist verfielen zusehends, bis ihr wegen ständiger unkontrollierbarer Zuckungen sogar die Hände festgebunden werden mußten. Schließlich lag sie im Krankenhaus, war kaum noch ansprechbar, und die Ärzte rechneten mit ihrem baldigen Tod.
Auf Anraten eines Krankenhausarztes, dem der zeitliche Zusammenhang der Erkrankung mit der Zahnbehandlung auffiel, erwirkte ihr Mann die Entlassung aus der Klinik - auf eigene Gefahr. Sie fanden einen Zahnarzt, der ihr alle Metalle aus dem Mund entfernte - und von diesem Tag an begann sie sich langsam wieder zu erholen.
„ Sehr viele Gesundheitsschäden durch Palladium-Legierungen verlaufen ähnlich dramatisch", konstatiert Peters und verweist auf von der „IGZ" betreute Fälle. Als IGZ-Vorsitzende setzt sie sich heute für ein Umdenken in der Zahnmedizin ein.* Auf ihre Initiative hin erstellte der gemeinnützige Verein 1990 eine Statistik, die erstmals den Zusammenhang von Erkrankungen mit ganz bestimmten Zahnmetall-Legierungen belegt. Erscheint es schon als befremdlich, wenn solch eine statistische Auswertung erst von betroffenen Patienten und Laien statt von den zuständigen Gesundheitsbehörden oder Wissenschaftlern angefertigt werden muß, so wirkt es geradezu unglaublich, daß viele dieser Erkrankungen schon vermeidbar gewesen wären, hätten sich die Verantwortlichen in Gesundheitsbehörden und Krankenkassen nur an ihre eigenen Vorschriften gehalten. Denn Palladium-Legierungen dürfen überhaupt nicht verwendet werden.

* Ausführliche Infos zu Erkrankungen durch Zahnmetalle gegen 8 DM Kopierkosten und frankierten Rückumschlag von:
„Interessengemeinschaft der Zahnmetallgeschädigten e. V.": IGZ e. V., Brigitte Peters, Haydnweg 5, 50389 Wesseling, und von: IGZ e. V., Loni Weber, Postfach 1222, 35621 Hüttenberg-Rechtenbach

Anzeichen für eine Zahnmetall-Vergiftung
- vermehrter Speichelfluß, fauliger Mundgeruch, Zungenbrennen, Zahnfleischentzündungen, Geschmacksveränderungen, eine bläulich-schwarze Verfärbung der Schleimhaut (Quecksilbersaum), Schleimhaut-Wucherungen, Flechten- und Pilzbefall, Haarausfall, Muskelzucken, Zitterschrift, Sprach- und Sehstörungen, Taubheitsgefühle, Lähmungen, Konzentrationsschwäche, Mattigkeit, Schwindel
- Nieren- und Blasenschmerzen, Bauch- und Rückenschmerzen, Knochenveränderungen und -schmerzen, Migräne und andere Kopfschmerzen, Lähmungen
- Gelenkschwellungen, Entzündungen der Nasennebenhöhlen, Herzrhythmusstörungen, Asthma
- geschwächtes Immunsystem, Infektanfälligkeit, Allergien
- Nervosität im Wechsel mit Apathie und Depressionen, Schlafstörungen
Kehren diese Symptome wieder und können durch Therapien nicht behoben werden, sollte eine eventuelle Belastung durch die Zähne untersucht werden.

Zahnfleisch

 

Eine schwarze Verfärbung des Zahnfleisches weist auf die hohe Belastung durch giftiges Amalgam hin

Der Grund dafür, daß es dennoch geschah, waren die Finanznöte der gesetzlichen Krankenkassen. Da ihnen die Kosten für die medizinische Versorgung über den Kopf wuchsen, drängten sie bei der sogenannten Gesundheitsreform auch auf Einsparungen in der Zahnversorgung. So fielen die Zuschüsse für Zahnersatz aus hochwertigen Goldlegierungen dem Rotstift zum Opfer. Statt dessen erklärte 1986 der „Bundesausschuß Zahnärzte und Krankenkassen" das „Spargold" - die sogenannten PalladiumBasis-Legierungen - zur Regelversorgung bei Kronen und Brücken. Wenn jemand dennoch Zahnersatz aus Goldlegierungen haben wollte, so mußte er nach dieser Gesetzesänderung seit 1986 nicht nur die Mehrkosten tragen, sondern die gesamte Summe selbst aufbringen. Die Verwendung der Palladium-Basis-Legierungen stieg daraufhin sprunghaft an.
Der Skandal: Über die gesundheitliche Verträglichkeit dieser über 100 verschiedenen palladiumhaltigen Legierungen war vor ihrer Einführung so gut wie gar nichts bekannt. „Der größte Teil war weder biologisch geprüft, noch lagen klinische Erfahrungen vor", mußte sechs Jahre später das Bundesgesundheitsamt selbst angesichts zahlreicher Fälle einräumen, in denen diese Zahnmetall-Legierungen an Erkrankungen zumindest mitbeteiligt waren.

Warnungen der Experten wurden missachtet

Die Warnungen einzelner Wissenschaftler wie Prof. Dr. Dr. Walter T. Klötzer- immerhin Vorsitzender des zuständigen Fachausschusses, der „Kommission zur Prüfung der Biokompatibilität dentaler Materialien", und „Leiter der Abteilung für Zahnersatzkunde" des Universitäts-Klinikums Marburg-, diese Zahnmetall-Legierungen nicht ungeprüft einzuführen, waren ignoriert worden. Sogar die Hersteller dieser Zahnmetalle mochten damals in einer Stellungnahme ihrer „Arbeitsgemeinschaft Edelmetall" vom September 1985 „keine vorbehaltlose Empfehlung dieser Legierungsart" geben. Nicht die gesundheitliche Verträglichkeit garantierten sie, sondern nur, daß die jeweiligen Mengenanteile der verschiedenen Metalle in einer Legierungsart stets gleich sind.

Viele Metalle machen den Mund zur Giftküche Füllungen
Amalgambestandteile
Oben links: Trotz fachgerechter Unterfüllung können giftige Amalgambestandteile in die Wurzel wandern (schwarze Verfärbung). Oben re.: weiße Schleimhauterkrankung durch Palladium. Mitte und unt.: Füllungen aus Gold, Amalgam und Kunststoff

Andererseits scheinen aber auch sie zu kostspieligen Prüfungen ihrer Zahnmetalle - zu denen auch Tierversuche gehören - nicht bereit gewesen zu sein. „Namentlich bekannte Vertreter der Dentalindustrie aktivierten die Tierschutzorganisationen mit Greuelmärchen - mit dem klar erkennbaren Ziel, kostenträchtige Materialprüfungen zu vermeiden", behauptet Prof. Klötzer in einem Schreiben an die „IGZ e. V." und erinnert sich: „Zirka 4000 Schreiben, Beschimpfungen bis zu Morddrohungen gegen mich und meine Familie sind damals bei mir und im Fachausschuß eingegangen." Zudem drohten Legierungs-Hersteller ihm mit sehr hohenSchadenersatzforderungen wegen Geschäftsschädigung.
„ Die ungeprüfte Verwendung der Palladium-Basis-Legierungen ist nichts anderes als ein illegaler medizinischer Großversuch am Menschen", klagt die IGZ-Vorsitzende Brigitte Peters das Verhalten von Krankenkassen, Gesundheitsbehörden und Herstellern an. Tatsächlich verbieten zum Beispiel die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der „World Medical Declaration of Helsinki", daß Materialien am Menschen - ohne dessen Wissen - erprobt werden. Darauf wies bereits im September 1986 das zahnärztliche Fachblatt „Die Quintessenz" hin.
Auch die im „Bundesmanteltarifvertrag" für den Zahnarzt-Alltag verbindlich festgelegten kassenzahnärztlichen Richtlinien betonen ausdrücklich: „Es sollen nur solche Werkstoffe verwendet werden,
die klinisch erprobt sind und bei denen ausreichend gesichert ist, daß sie der Gesundheit nicht schaden." Nach ihrer Standesordnung hätten sich die Zahnärzte also weigern müssen, diese Zahnmetalle einzusetzen. So aber vergingen sechs Jahre, bis die Gesundheitsbehörde 1992 die Verwendung dieser Zahnmetalle wieder einschränkte und zumindest die kupferhaltigen Palladium-Legierungen verbot. Die weniger gefährlichen - aber keineswegs unbedenklichen - Palladium-SilberLegierungen werden jedoch weiterhin massenhaft verwendet. Der Gesundheitsskandal dauert an.

Staatsanwaltschaft begann Ermittlungen

Wer glaubt, die Krankenkassen und Gesundheitsbehörden würden ihren folgenschweren Fehler mit den Palladium-Legierungen inzwischen eingesehen haben, irrt gründlich. Weder erhalten durch Zahnmetall Geschädigte die Kosten für Zahnsanierung und Entgiftung erstattet, noch wird ihnen für das meist jahrelange Leiden durch die gesundheitsschädigende Zahnversorgung ein Schadenersatz zuerkannt. Der Grund für diesen weiteren Aspekt im Palladium-Skandal: Das komplexe Zusammenspiel der verschiedenartigen Schadwirkungen im Körper ist noch nicht vollständig erforscht und gilt daher schulmedizinisch als nicht bewiesen. Zwar räumte 1993 das damalige Bundesgesundheitsamt (BGA) ein, daß Palladium grundsätzlich „zahlreiche Enzymsysteme bei Mensch und Tier hemmt" und sogar die DNS angreift. Ob allerdings die aus den Zahnmetall-Legierungen herausgelösten Mengen Palladium dafür groß genug sind, sei fraglich. So wies das BGA schon damals auf Tierversuche hin, nach denen nur bestimmte Palladium-Basis-Legierungen Störungen an Dünn- und Dickdarm, Niere und Leber verursachen. „Möglicherweise wird die biologische Reaktion auf Palladium-Basis-Legierungen in erheblichem Maße durch den Zusatz von Kupfer - auch Gallium und Indium sind zu nennen - beeinflußt", heißt es in der Informationsschrift zu ZahnmetallLegierungen des BGA. Die IGZ-Vorsitzende Peters gibt außerdem zu bedenken: „Eine gesundheitsschädliche Wirkung von Gallium und Indium erklärt zumindest, warum nach unserer Statistik auch einzelne Goldlegierungen, denen diese Metalle ebenfalls beigemischt sind, zu Erkrankungen führen können." Hinzu kommen noch eventuelle Verarbeitungsfehler im Dentallabor, die das Herauslösen giftiger Metalle aus dem Zahnersatz beschleunigen können.
Erschwert wird die Ursachenforschung auch dadurch, daß einige Symptome einer Zahnmetall-Vergiftung - etwa die Schwächung des Immunsystems - ebenso durch andere Umweltgifte wie Formaldehyd, bestimmte Holzschutzmittel und Schwermetalle aus der Nahrung hervorgerufen werden können. Die zusätzliche Belastung aus Zahnmetallen ist hier vielleicht oft nur der „letzte Tropfen", der das Faß zum Überlaufen bringt und das Immunsystem zusammenbrechen läßt. Da die Schulmedizin in diesem komplexen Zusammenwirken nach einer lückenlosen Ursachenkette - statt wie die Ganzheitsmedizin nach Symptomkomplexen - sucht, gelingt ein Nachweis von Gesundheitsschäden oft erst nach jahrzehntelangen Forschungen.

Gesetzeslücke macht Skandal erst möglich
Wer trägt für den Palladium-Skandal die Verantwortung? Die Legerungs-Hersteller, weil sie ihre Produkte nicht prüfen ließen? Die Gesundheitsbehörden und gesetzlichen Krankenkassen, weil sie die ungeprüften Legierungen sogar als Regelversorgung vorschrieben? Die Zahnärzte, weil sie diese entgegen ihren Standesregeln verwendet haben? Oder die Gesundheitspolitiker, weil sie sich nicht dafür entscheiden können, eine Gesetzeslücke zu schließen: Die Zahnmetall-Legierungen gelten nämlich nicht als Arzneimittel, und daher gibt es für sie auch kein staatliches Zulassungsverfahren mit einer vorsorglichen Kontrolle auf ihre gesundheitliche Verträglichkeit.
Nach dem seit Januar 1995 geltenden EG-weiten ,Medizinproduktegesetz" sind zwar auch für Zahnmetalle .,klinische Bewertungen und Studien" grundsätzlich möglich. An eine nachträgliche Uberprüfung aller auf dem Markt befindlichen Legierungen wird jedoch nicht gedacht. „Statt einer klinischen Studie können die Hersteller nach dem neuen EG-Gesetz auch eine reine Literaturstudie vorlegen, um die ab 1998 für Zahnmetalle geltende EG-weite Güte-Kennzeichnung zu erhalten", erklärt Dr. Tamara Zinke, beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" zuständig für zahnmedizinische Fragen. Erneut mißt man Schulmedizin und Erfahrungsheilkunde mit zweierlei Maß. Während seit vielen Jahren angewendete Medikamente der Ganzheitsmedizin und erfolgreiche Verfahren der biologischen Zahnheilkunde ihre Wirksamkeit erst durch sehr kostspielige Studien belegen müssen, wird nach einem solchen Beweis für auf dem Markt befindliche schulmedizinische Produkte wie die verschiedenen Legierungen, formaldehydhaltigen Wurzelfüllungen und Kunststoffe zur Zahnversorgung nicht gefragt.

Bei alldem ziehen die betroffenen Patienten den kürzeren, denn solange das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" nicht offiziell bestätigt hat, daß Palladium, Kupfer oder die Galliumund Indium-Beimischungen krank machen, erkennen die Krankenkassen die Schädigungen durch Zahnmetalle nicht an. Vor Gericht haben Geschädigte nur geringe Chancen, wenigstens die Kosten für ihre Gebißsanierung zu erstreiten. Dies ist jedoch auch deshalb so schwierig, weil die herangezogenen Gutachter ebenfalls Zahnärzte sind. „Würden sie zum Beispiel zu dem Schluß kommen, man hätte die Palladium-Legierungen nicht verwenden dürfen, käme dies einer Selbstanzeige gleich - denn die allermeisten Zahnärzte haben diese Metalle eingesetzt", erklärt Brigitte Peters.
Die Richter wiederum entscheiden im Zweifelsfall bisher nicht für den vorbeugenden Gesundheitsschutz. Das krasseste Beispiel dafür gab ein Richter am Kölner Landesgericht. „Er verglich die rechtlich verbindliche Bekanntmachung des Verbots von Palladium-Kupfer-Legierungen im zahnärztlichen Standesblatt und im Bundesanzeiger mit unsachlichen Sensations-Meldungen in der ,Regenbogenpresse`, und daher müsse der Zahnarzt nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er auch nach dem Verbot diese Legierungen noch eingesetzt hat", berichtet die IGZ-Vorsitzende.
Die geschädigten Patienten hoffen jetzt auf die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Aufgrund von Strafanzeigen des Toxikologen Dr. Max Daunderer und rund 700 Patienten ermittelt sie seit 1991 wegen möglicher „Körperverletzung" durch Amalgam und Palladium-Legierungen gegen die Herstellerfirma „Degussa". „Etwa 30 dicke Ordner umfassen die Akten bereits, und wir stehen erst am Anfang", sagt Job Tilmann, Pressesprecher der Oberstaatsanwaltschaft. Zur Zeit werden Gutachten eingeholt, und es ist noch völlig offen, ob und wann tatsächlich Anklage erhoben wird. Daß sich die Patienten dennoch große Hoffnungen machen, liegt an dem zuständigen Staatsanwalt Dr. Erich Schöndorf. Er führte 1993 auch den aufsehenerregenden Prozeß gegen die Hersteller von giftigen Holzschutzmitteln zum Erfolg. Damals war erstmals der Zusammenhang zwischen Substanzen, die in geringen Konzentrationen über einen langen Zeitraum wirken, und schwersten Gesundheitsschäden juristisch anerkannt worden. Und erstmals genügte dem Richter die hohe Wahrscheinlichkeit einer krankmachenden Wirkung statt eines eindeutigen Nachweises.
„ Im Prozeß um die Zahnmetalle hoffen wir auf eine Entscheidung mit ähnlicher Signalwirkung", so Brigitte Peters. Für die Firma „Degussa", mit zirka 4,5 Millionen Mark Umsatz deutscher Marktführer bei Amalgamen, waren das Holzschutz mittel-Urteil und die jetzigen Ermittlungen Gründe genug, im Dezember 1993 zumindest aus der Amalgam-Produktion auszusteigen.

Krankenkassenfürchten Milliarden-Kosten

Entscheidend für eine mögliche schleichende Vergiftung ist vor allem, wie stark die Zahnmetall-Legierung sich zersetzt. Palladium-Kupfer-Legierungen und Amalgam schneiden dabei am schlechtesten ab (s. Kasten S. 39). Auch manchen Zahnkunststoffen, formaldehydhaltigen Wurzelfüllungen und einigen Klebestoffen für Zahnkeramik werden krankmachende Wirkungen nachgesagt. So ist der Skandal um die Palladium-Legierungen nur ein typisches Beispiel für den derzeitigen Notstand in der Zahnversorgung. Fast hätte sich sogar ein ähnlicher Eklat bei den Zahnkunststoffen wiederholt: Im Dezember 1994 wollte die zuständige Expertenkommission statt dem umstrittenen Amalgam die Kunststoffe zur KassenRegelversorgung erklären. Auch sie sind aber - wie die Palladium-Legierungen - zum großen Teil bisher nicht umfassend auf ihre gesundheitliche Verträglichkeit hin überprüft worden. Einzelne Experten warnen bereits vor den Gesundheitsgefahren durch Abrieb und die Besiedelung der Kunststoffe mit krankmachenden Pilzen.

Ganzheitliche Zahnbehandlungen erfordern viel Zeit und Wissen Jürgen Neuenhausen
Wachsabdruck Oben: Zahnarzt Jürgen Neuenhausen gründete die erste ganzheitliche Zahnklinik in Deutschland. Links: Erst mit einem speziellen Wachsabdruck kann die exakte Paßform der Füllungen ermittelt werden

Die offizielle Begründung für den geplanten Ausstieg aus Amalgam wird sich aber vermutlich nicht auf eine eventuelle Gesundheitsgefahr oder „vorbeugenden Gesundheitsschutz" berufen. Dänemark, Schweden und Japan haben den Weg bereits vorgezeichnet - nämlich rein „aus umweltpolitischen Gründen", um die Menge des Sondermülls an Quecksilber aus Zahnarztpraxen und die allgemeine Belastung der Menschen mit Schwermetallen zu reduzieren. Gigantische Kosten für einen Austausch der Materialien und in Form von Schadenersatzforderungen kämen sonst auf Krankenkassen und Hersteller zu. Jährlich werden in Deutschland zirka 40 Millionen Amalgamplomben gelegt. Dr. Wilhelm Bulh Berater des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen, schätzt: „Eine Umstellung von Amalgam auf Goldinlays würde die Versichertengemeinschaft mit 25 Milliarden Mark jährlich belasten. Das sind 3 Milliarden mehr als die derzeitigen Kosten der gesamten zahnmedizinischen Versorgung." Hinzu kämen noch die Kosten für den Austausch bereits vorhandener Amalgamfüllungen, der nach Bulk insgesamt „einen dreistelligen Milliardenbetrag" ausmachen würde. Freilich fehlen in dieser Rechnung die Krankheitskosten, die dank einer perfekten Zahnversorgung gar nicht erst entstünden - angefangen von Massagen wegen Verspannungen bis zur langjährigen Behandlung kostenintensiver chronischer Erkrankungen. „Spätestens Anfang der 80er Jahre war Wissenschaftlern und Krankenkassen bereits klar, daß neue Zahnfüllstoffe gefunden werden müssen", rechnet IGZ-Vorsitzende Peters vor. Erst vor wenigen Jahren aber liefen die Forschungen dafür an. „Zehn Jahre wurden verplempert", kritisiert sie.

Wichtige Forschungen wurden verschlafen

Heute konzentrieren sich die Hoffnungen vor allem auf „Hydroxylapatit". Das Material entspricht chemisch im wesentlichen dem natürlichen Zahnschmelz. Aus einem Rohmaterialblock wird per Computer die passende Füllung exakt herausgefräst und mit Zement im Zahn befestigt. Ob allerdings die Krankenkassen die hohen Kosten hierfür-etwa so hoch wie die von Keramikinlays - übernehmen, ist noch offen. Darüber hinaus wird erforscht, ob man diesen Zahnfüllstoff nicht auch als flüssige Masse herstellen kann. Er ließe sich dann - wie Amalgam - kostengünstig direkt in den Zahn einbringen. Bis diese Neuerung allerdings in die Zahnarztpraxen Einzug halten kann, werden noch viele Jahre vergehen.

Brigitte PetersBrigitte Peters, die Vorsitzende der „Interessengemeinschaft der Zahnmetallgeschädigten e.V.", klagt an: „Ein illegaler medizinischer Großversuch am Menschen findet statt"

 

Daneben werden aber auch Millionen in zweifelhafte Forschungen investiert. Zum Beispiel läuft demnächst in 24 deutschen Allergie-Kliniken-vor allem an Universitätskliniken - eine Überprüfung des sogenannten Epikutan-Hauttests an. Dieser Allergietest ist für Zahnmetall-Geschädigte bisher die einzige Chance, die Kosten für eine Zahnsanierung von den Kassen erstattet zu bekommen. Aussagen über eine eventuelle Vergiftung sind mit seiner Hilfe jedoch prinzipiell nicht möglich. Mehr noch, einzelne Testsubstanzen stehen sogar im Verdacht, selbst die Allergien erst auszulösen. So jedenfalls warnte Prof. Köhler bereits Anfang 1993 in einer vertraulichen Beratung der zuständigen Expertenkommission. „Ob sich die Elektro-Akupunktur nach Voll (EAV) und Mundstrom-Messungen eignen, um die Verträglichkeit von Dental-Legierungen feststellen zu können, wird zur Zeit in einer Studie geprüft", sagt Dr. Tamara Zinke, beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte" zuständig für Fragen der Zahnmedizin. Da jedoch die Qualität eines bioenergetischen Tests wie der EAV entscheidend von der Erfahrung des Testers abhängt und jeder quasi eigene „Eich-Werte" hat, scheint die EAV an dem Wissenschaftlichkeits-Kriterium der „Überprüfbarkeit" zu scheitern. Gerade die EAV und kinesiologische Tests sind aber für viele Zahnmetall-Geschädigte die letzte Hoffnung, um endlich herauszufinden, welches die für sie individuell „richtige" Zahnsanierung ist.

Bedenkliche Zahnmetall-Legierungen

Seit November 1992 sind die Zahnärzte verpflichtet, den Patienten einen Legierungspaß mit genauen Angaben zur Zusammensetzung der verwendeten Dental-Legierungen auszustellen. Entscheidend für die Bioverträglichkeit einer Legierung ist, wie viele Metallionen herausgelöst werden. Als bedenklich gelten:

  • Amalgame,
  • Palladium-Kupfer-Legierungen, - Nickel-Chrom-Legierungen, - Kobalt-Chrom-Legierungen,
  • Palladium-, Gold- und Hoch-Gold-Legierungen mit Anteilen an Cadmium, Beryllium, Blei, Gallium oder Indium
  • sowie Parapulpäre Stifte (in Zahnwurzeln).

Neben Quecksilber aus dem Amalgam werden aus den verschiedenen Legierungen vor allem die unedlen Beimischungen herausgelöst wie Kupfer, Kobalt, Zink, Gallium, Indium und Zinn. Wie stark diese „ausgewaschen" werden, hängt auch von der Ernährung, dem pH-Wert des Speichels und elektrischen Spannungsunterschieden zwischen unterschiedlichen Metallen ab. Hat man zum Beispiel Goldkronen und Amalgam-Füllungen zusammen im Mund, so bewirken winzige Elektronenwanderungen, daß noch mehr Quecksilber aus dem Amalgam gelöst wird. Heiße Getränke und Kaugummi-Kauen erhöhen das Herauslösen ebenfalls.

Bildquellen: ©Ulrich Arndt 3x, ©Jürgen Neuenhausen 7x, ©Birgit Peters


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