|
|
Erschienen in: esotera 4/1995
(Seite 38-43) |
Gedankenübertragung zwischen Mensch und Tier
- BLACK MAGIC
Seit alters her gelten die Kolkraben als „magische" Tiere
- Begleiter des Schamanen auf seinen „Seelenreisen".
Roland Müller ist so etwas wie der lebende Beweis für
die Möglichkeit solch außergewöhnlicher Beziehungen
zu ihnen. Er behauptet sogar, mit seinen Raben in telepathischer
Verbindung zu stehen
Von Ulrich Arndt
Hoch über
den Hügeln unweit der Stadt Yverdon am Neuenburger See zieht
ein kleiner schwarzer Punkt seine Kreise. Zwanzig Minuten sind
bereits vergangen, seit Roland Georg Müller seinen zahmen
Kolkraben losfliegen ließ - völlig frei, ohne jede
Sicherung. Die nahen Jura-Felsen, in denen noch wilde Raben nisten,
wären für den Vogel jetzt in kürzester Zeit zu
erreichen. Der aber zeigt keinerlei Interesse an einem Besuch
bei seinen Artgenossen.
„Gleich kommt ein Fuchs über den Hügel auf uns zu", meint
Müller plötzlich. Und wirklich, wenig später schaut erst ein kleiner
rötlicher Kopf vorsichtig über den Bergrücken, dann läuft
der Fuchs schräg den Hang hinab in eine Senke. Verwundert sehe ich Müller
an. „Woher wußten Sie das?" Vielleicht, denke ich, kommt das
Tier immer um diese Zeit hier entlang. Müllers Antwort aber verblüfft
mich erst recht: „Der Rabe hat den Fuchs gesehen, und ich habe ihn durch
den Raben gesehen", erklärt er.
Was Müller meint, ist nichts Geringeres als eine Art Gedankenübertragung
zwischen ihm und dem Tier: eine telepathische Kommunikation mit dem hoch
oben kreisenden Raben. Und offenbar ist das sein völliger Ernst,
denn er fährt fort: „Seit über 50 Jahren bemühe
ich mich, die Denkweise und die Sprache der Rabenvögel zu ergründen.
Das Ergebnis übertrifft meine kühnsten Erwartungen, denn es
ist mir gelungen, das Kolkrabengehirn mit meinem zu verbinden."
Anscheinend steht mir der Zweifel deutlich ins Gesicht geschrieben, denn
er fährt fort: „Ich werde den Raben jetzt - per Gedankenverbindung
- bitten, zu uns zurückzukommen." Völlig regungslos bleibt
Müller stehen; keine Geste, kein Laut - nichts, was man als optisches
oder akustisches Signal für den Vogel auslegen könnte. Immer
noch zieht der Rabe weit entfernt in etwa 500 Meter Höhe durch den
Himmel. Nach etwa zwei Minuten aber steuert er wahrhaftig direkt auf
uns zu. Zwar ist er nach Müllers Ankündigung nicht postwendend
umgekehrt, doch wieso macht er sich gerade zu diesem Zeitpunkt auf den
Rückweg?
Rechts:
Roland Müller und sein Rabe Hans Huckebein bei einem der
Vorträge über die Kolkraben und ein neues Zusammenleben
von Mensch und Tier. Rechts unt.: ein Bild außergewöhnlicher
Vertrautheit von Müller und der jungen Maxie. Im gr. Bild
oben: der vielbeschäftigte „Filmstar" Hans
Huckebein |
|
|
Das Verhalten des Raben
exakt vorausgesagt
„Er wird jetzt tief auf uns zufliegen und dann
so abbremsen, daß Sie ihn gut mit gespreizten Flügeln
fotografieren können", kündigt Müller an. Ich
hole meinen Fotoapparat aus der Tasche und wähle ein Objektiv
aus. Doch bevor ich schußbereit bin, ist der Rabe bereits
da. Statt sich allerdings auf dem Autodach - seinem gewohnten Landeplatz
- niederzulassen, dreht er ab. „Er fliegt jetzt eine Ehrenrunde,
weil sie noch nicht fertig waren", erklärt mir Müller
dieses unerwartete Verhalten. Beim zweiten Anflug habe ich die
Kamera bereit - und der Rabe setzt wie angekündigt auf dem
Autodach auf.
Was erlebe ich hier? Geschieht hier wirklich Telepathie? Oder kennt Müller
einfach nur durch das lange Zusammenleben das Verhalten des Raben so
genau, daß er derartige Voraussagen machen kann? Oder ist es vielleicht
bloß eine - wenn auch perfekte - Dressur?
Einen ganzen Tag lang werde ich Müller und seine Lebensgefährtin
im Umgang mit ihren drei Kolkraben „Hans", „Blakky" und „Maxie" beobachten
und dabei Zeuge eines so außergewöhnlich innigen Einvernehmens
zwischen Mensch und Tier werden, wie ich es noch nie erlebt habe. Und
am Ende dieses Tages werde ich mich immer noch fragen: Gibt es eine andere
vernünftige Erklärung für diese Vorgänge als tatsächlich
Telepathie?
„Raben wollen mit den
Menschen sprechen"
Die Anfänge der engen Beziehung Müllers
zu Rabenvögeln - zu denen neben den Kolkraben auch Elster,
Dohle, Häher und die Krähenarten gehören - reichen
bis in seine Kindheit zurück: „Auf meinem Schulweg durch
einen sehr schönen Wald hatte ich eines Tages ein seltsames
Erlebnis: Ganz deutlich hatte ich den Eindruck, die dort wohnenden
Elstern und Krähen wollten mit mir sprechen", erzählt
er. Junge Krähen waren dann auch die ersten Vögel, die
er zu Hause hielt. Schon diese ließ er frei in der Wohnung
und in der Nähe des Hauses herumhüpfen. „In dieser
Zeit habe ich viel über Vögel gelernt und mich so auf
die eigentliche Aufgabe und Herausforderung vorbereitet - nämlich
den ersten Kontakt mit dem König der Rabenvögel`, dem
Kolkraben", fährt er fort.
Rechts:
Maxie genießt das Kraulen und fordert es energisch ein. Rechts
unt.: Mit Krähen sammelte Müller vor 50 Jahren seine
ersten Erfahrungen. Mitte: Raben sind Flugkünstler und gelten
als die intelligentesten Vögel
Kolkraben sind im Vergleich zu Krähen oder
gar Hühnern weit weniger stark durch ihre Instinkte geprägt.
Vogelkundler sprechen ihnen ein „variationsreiches" und „wenig
situationsgebundenes" Verhalten zu. Sie verhalten sich also
nicht nach einem einfachen, automatisch ablaufenden Schema - wie
etwa das mechanische Scharren der Hühner beim Futterpicken.
Raben haben vielmehr eine erstaunliche Intelligenz und hohes Abstraktionsvermögen.
Bekannt geworden ist zum Beispiel ein wissenschaftlich beobachteter
Rabe, der sein Weibchen mit dem Wort „komm" lockte,
wenn er es füttern wollte - ganz genauso, wie es sein Pfleger
bei der Fütterung tat. Der berühmte Verhaltensforscher
Konrad Lorenz hielt den Kolkraben gar für den „geistig
höchststehenden aller Vögel". Das intelligente und
flexible Verhalten hat dem Raben aber auch den Ruf eines „Freibeuters" unter
den Vögeln eingebracht - Genie und Narr zugleich, so wird
er in Fabeln und bei Wilhelm Busch dargestellt.
Neugierig betrachte ich den Vertreter dieser intelligenten Vogelgattung,
der mir auf Müllers Sofa gegenübersitzt. Es ist „Maxie",
einer der beiden jüngeren Raben. Mit von Kopf bis Fuß über
50 Zentimetern Höhe, einem Gewicht von fast drei Pfund, einer Flügelspannweite
von fast eineinhalb Metern und dem kräftigen, leicht gebogenen Schnabel
hat ein ausgewachsener Rabe eine respekteinflößende Statur.
Gegenwärtig ist gerade Brunftzeit, deswegen hält Müller
die Vögel getrennt. „Leider hat es weder zwischen Hans und
Maxie noch bei dem anderen Weibchen ,gefunkt`. Da Raben aber grundsätzlich
nur in "monogamer Ehe" leben, kann es in der Brunftzeit zwischen
den dreien mitunter lautstark zugehen", erklärt er mir. Damit
die Nachbarn in dem neuen Wohnblock nicht durch das Rabengekrächze
gestört werden, sitzen Hans und Blacky in belüfteten Spezialkäfigen
im Auto.
Maxie hat mich inzwischen eingehend beäugt. Nun scheint ihre Neugierde
befriedigt, und sie hüpft zu ihrem „Rabenvater". Sie
zupft ihn an der Hose und hält ihren Hals hin. Genüßlich
läßt sie sich - ganz wie ein Hund oder eine Katze - den Nacken
kraulen. Sobald Müller nachläßt, ertönt ein protestierender
Krächzer, und sie zupft ihn erneut an der Hose.
Wie entsteht ein derart vertrautes Verhältnis - laut Müller
sogar eine Art Gedankenverbindung - mit einem Raben? Seinen ersten holte
sich Müller im Frühjahr 1985 als einmonatigen Nestling. Aus
zehn Kolkraben-Paaren hatte er die Eltern ausgesucht, aus deren Gelege
das Junge stammen sollte. „Tagelang hatte ich die Raben beobachtet
und den Kontakt zu ihnen gesucht", erzählt er. Als dann der
Bergsteiger, der diesen Teil der Aktion übernommen hatte, vor dem
Nest in der Felswand hängend über Sprechfunk fragte, welchen
der fünf kleinen Raben er nehmen solle, konnte Müller ihm das
genau sagen: den, der als einziger mitten im Nest sitzen geblieben war,
während die anderen zu flüchten versuchten. Das Ganze geschah
wenige Tage bevor der Jungvogel seinen ersten Ausflug aus dem Nest unternommen
hätte. Er erhielt den Namen „Hans Huckebein".
|
|
Oben: Genau wie Müller es voraussagte,
fliegt der Rabe heran. Links: Geheimnisvolle Mythen und unglaubliche
Sagen umranken den Kolkraben. In Naturreligionen gilt er als
Vogel der Götter und Schamanen |
Eine neue Einstellung zu
Tieren ist nötig
„Das Fliegen habe ich ihm dann beigebracht",
sagt Müller, Pionier im Deltafliegen und ehemaliger Pilotenausbilder
für diese Mischung aus Drachensegeln und Motorflug, nicht
ohne Stolz auf die exakte Flugtechnik seines außergewöhnlichen
Schülers. Mit einem Deltaflieger haben er und seine Lebensgefährtin
den Raben bei den ersten größeren Flügen begleitet. „Heute
ist Hans ein Filmstar", berichtet Müller schmunzelnd
weiter. Er und Hans Huckebein sind bei Filmemachern ausgesprochen
beliebt, da der Rabe auf Müllers Erklärungen hin tatsächlich
alles macht, was im Drehbuch verlangt wird. In mehr als zehn Filmen
agierte er bereits. In einem Theaterstück auf einer Freilichtbühne
flog er - als Künder eines schlechten Omens - sogar an dreißig
Abenden stets pünktlich und exakt zu der Stelle auf der Bühne,
die er erklärt bekommen hatte. „Auch bei Robert Lembke
war Hans schon zu Gast, in der Fernseh-Ratesendung 'Was bin ich?'
, und er hat sich, obwohl er allein neben Lembke saß, durch
keinen Laut verraten", erinnert sich der Rabenvater.
Raben im Mythos |
Kein anderer Vogel im eurasischen Raum
hat einen derart bevorzugten Platz in der Mythologie und den
Naturreligionen wie der Rabe:
Als Helfer und Seelenführer begleitet er den Schamanen auf seiner
Seelen-Reise in die geistige Welt.
Nach den Überlieferungen der "Edda" stehen zwei Raben
dem germanischen Gottvater Odin (auch Hrafnaod - Rabengott - genannt)
zur Seite. Sie werden mit dem göttlichen Gedächtnis (Munin)
und dem göttlichen Gedanken (Hugin) identifiziert; Odin schickt
sie morgens auf die Erde, und abends erstatten sie ihm Bericht.
Bei den Persern und Hethitern sollen Raben mit Sonnen- und Licht-Kulten
in Verbindung gestanden haben. Auch Apoll, der griechische Gott des
Lichts und der Weissagung, führte einen Raben mit sich.
Einige Stämme der Naturvölker Ost-Sibiriens und Alaskas
verehrten sogar den Raben selbst als einen Gott. Er galt ihnen als
Schöpfer der belebten Erde, Lehrer der ersten Menschen und Ratgeber
der Schamanen.
In deutschen Sagen tauchen Raben häufig auf, zum Beispiel in
der vom Kyffhäuser. Nach ihr soll König Barbarossa, der
in diesem Berg in Thüringen "schläft", wieder
auferstehen, wenn die Raben nicht mehr um den Berg kreisen.
Auch in der Bibel begegnet man den seltsamen schwarzen Vögeln.
So fanden die Raben der Arche Noah nach der Sintflut als erste das
auftauchende Land. Raben waren es auch, die den Propheten Elias in
seinem Versteck jeden Morgen mit Fleisch und Brot versorgten und
so vor dem Hungertod bewahrten.
Im Mittelalter aber wurde der Rabe immer mehr zum Symbol für
Tod, Sünde und den Pakt mit dem Teufel. So beschimpfte Thomas
Müntzer seinen Widersacher Martin Luther als einen „tückischen
und schwartzen kuickraben". Luther seinerseits meinte polemisch: „Sie
sind wie die raben, unryne schelme, die aas fressen, bauchdiener
und fresslinge, die durch das predigen nichts suchen, denn das sie
genug haben und yhren Wanst füllen." |
Noch kann ich aber den Unterschied zu einer perfekten
Dressur nicht erkennen. Müller erklärt: „Während
einer Dressur wird das Tier für eine Leistung mit Futter belohnt
und manchmal auch bestraft, wenn es die Forderung nicht erfüllt." Bei
ihm sei dies völlig anders. Die Raben bekommen regelmäßig
ihr Futter - auch besondere Leckerbissen - ganz unabhängig
davon, ob sie sich auch so verhalten, wie er will. „Wenn
ich zum Beispiel ein besonderes Flugkunststück möchte
oder daß der Rabe von seinem Flug zurückkommt, bitte
ich ihn lediglich in Gedanken darum. Er soll mir nur einen Gefallen
tun und mich durch sein Verhalten erfreuen", so Müller.
Fast immer scheinen ihm seine Raben diese Bitten auch tatsächlich
zu erfüllen. Müller zeigt Filmaufnahmen, in denen er
sie bei simultanen Flugkunststücken festhielt. So drehen sich
zum Beispiel Hans und Maxie, in engem Abstand nebeneinanderfliegend,
zur gleichen Zeit auf den Rücken, segeln ein Stück in
Rükkenlage dahin und drehen sich synchron wieder zurück. „Es
hat einige Meter Film gekostet, bis die zwei verstanden hatten,
welches Kunststück sie vorführen sollten", räumt
Müller ein. Das Schwierige dabei sei gewesen, daß sie
die Figur in einem bestimmten Bereich des Luftraumes in einer knappen
Zeitspanne und eng beieinander fliegen mußten, damit er alles
mit seiner Hobbykamera aufnehmen konnte.
Wie Müller behauptet, führt vor allem Hans Huckebein seine
Bitten dann gern aus, wenn der Vogel selbst dabei etwas Neues kennenlernen
kann. So sei Hans stets eifrig dabei, wenn er für Fernsehteams bestimmte
Flugmanöver machen solle. „ln den Drehpausen schaut er sich
dann immer alles genau an und besieht sich auf diese Weise die Welt des
Menschen", glaubt der Rabenvater. Er ist überzeugt, daß Tiere
allgemein - vor allem aber die Raben - weit intelligenter sind, als wir
normalerweise annehmen. Daher müsse man ihnen endlich - egal ob
im Zoo oder im Zirkus, ob daheim oder in der Natur - wieder mit größerer
Achtung gegenübertreten und sie als Mitgeschöpfe und nicht
als „Verfügungsmaterial" betrachten.
Berühmte Raben |
Die höchste Ehrung widerfuhr einem
Raben im alten Rom: Er bekam ein Staatsbegräbnis. Wie
der römische Historiker Plinius berichtet, gab es im Jahre
35 nach Christus in Rom einen Raben, der jeden Morgen auf die
Rednertribüne im Forum flog und lauthals den Kaiser und
die Würdenträger des Staates begrüßte.
Sein Quartier hatte sich der Rabe bei einem Schuster gesucht.
Da der Vogel eine beliebte Attraktion war, kamen viele Römer,
um ihn zu bestaunen, und brachten bei dieser Gelegenheit dem
Schuster auch gleich ihre Schuhe zur Reparatur. Ein Konkurrent
neidete ihm den geschäftlichen Erfolg und tötete
den Raben. Darüber waren nun wiederum die Bürger
so erbost, daß sie den Rabenmörder lynchten. Der
Leichnam des Vogels aber wurde mit Pomp in einem großen
Leichenzug auf der berühmten Via Appia zu Grabe getragen.
Ein anderer Rabe im alten Rom huldigte jeden Morgen im Palast dem
Kaiser Augustus. Gut verständlich soll er ihn stets mit „ave
Caesar victor imperator!" begrüßt, einzelnen Gästen
und Bittstellern „opera et impensa periit!" (Da ist Hopfen
und Malz verloren!) nachgerufen haben.
Zu Berühmtheit gelangten im 9. Jahrhundert auch zwei Raben,
die 25 Jahre lang bei dem Einsiedlermönch Meinrad mitten im
Wald gelebt hatten. Als der berühmte Benediktiner eines Tages
ermordet wurde, verfolgten die Raben die Täter bis nach Zürich
und stürzten sich immer wieder aus der Luft auf sie hinab. Züricher
Bürger erkannten schließlich die Tiere und schlossen aus
ihrem Verhalten, daß es sich um die Mörder des Heiligen
handeln müsse. Als Dank für die Treue der Vögel nahm
man ein Bildnis der beiden Raben ins Wappen des Klosters Einsiedeln
auf, das am früheren Standort der Wohnstätte Meinrads erbaut
wurde. |
„Wir haben nicht das Recht, sie zu beherrschen",
meint Müller. Wir sollten vielmehr respektieren, daß auch
Tiere eine Persönlichkeit und Wünsche haben. So sollte
man Haustieren eine weit größere Freiheit einräumen,
als dies heute vielfach der Fall ist. Bei ihm dürfen die Raben
zum Beispiel, in einem offenen Käfig auf dem Balkon sitzend,
selbst bestimmen, wann sie aus der Wohnung hinaus möchten;
und sie kommen von allein durch die geöffnete Balkontür
zurück. Zwar habe auch er mit seinen Raben einige „Kunststücke" eintrainiert
- zum Beispiel schreibt Hans seinen Namen auf der Computertastatur
oder fliegt im Sommer in den Biergarten voraus und „besetzt" dort
einen Tisch für seinen Rabenvater -, solche „Zirkusnummern" aber
seien völlig bedeutungslos, wichtig sei allein, mit welcher
Einstellung man den Tieren begegne.
Während unseres Gesprächs ist Maxie vom Sofa und mit einem
großen Satz hinüber zu ihrem Sitzast gehopst, um diesen als
Toilette zu benutzen. Erst jetzt fällt mir auf, daß weder
ein unangenehmer Geruch herrscht noch ein Kotkrümelchen in der Wohnung
zu entdecken ist. „Die Raben sind völlig stubenrein, sauberer
als manches gewöhnliche Haustier", versichert Müller.
Schon kommt Maxie wieder angehüpft und fordert ihn durch Zupfen
zum erneuten Kraulen auf. Bisher hat es Müller umgangen, darüber
zu sprechen, wie es ihm gelungen ist, den „inneren" telepathischen
Kontakt zu seinen Raben aufzubauen. Nur zögernd findet er sich dazu
bereit, nachdem wir fast den ganzen Tag miteinander verbracht haben.
Denn dieser Vorgang ist offenbar untrennbar mit seiner gesamten Lebensgeschichte
verbunden.
„Seelen-Kontakte" mit
Kolkraben
Müller war Werkzeugmacher, Elektriker, Erfinder
und Konstrukteur, aber auch Rennfahrer auf selbstgebauten Wagen.
Er konstruierte einen der weltweit ersten Deltaflieger und eine
der ersten, von der Tonvielfalt her umfangreichsten vollelektronischen
Orgeln. Heute erledigt er Spezialaufträge für Baufirmen,
wie zum Beispiel chemische Mauerentfeuchtungen oder Abdichtungen
von Schwimmbädern, wenn Baufirmen das Leck nicht finden können. „Wenn
ich etwas will oder einen Auftrag annehme, dann habe ich das Wissen
dafür plötzlich auch im Kopf - sei es in Chemie, Mechanik
oder Elektronik", sagt Müller. Den Grund dafür kann
er sich auch nicht erklären. Neben den genannten Berufen war
Müller noch Mormonenpriester, bildender Künstler, Musiker
- und ist seit jeher höchst eifrig im Erwerb esoterischen
Wissens. „Ich experimentierte vor allem mit Techniken der
Seelenreise", bekennt er schließlich. „Damals
wollte ich unbedingt meinen verstorbenen Vater für all die
Ungerechtigkeiten und Prügel in meiner Kindheit zur Rede stellen;
ich wollte seine Seele suchen." So entwickelte der heute 59jährige
im Laufe der Jahre eine zutiefst esoterische Einstellung. Im trauten
Umgang mit seinen Raben gleicht er heute fast selbst dem Bild eines
früheren Schamanen, für den der Kolkrabe ein Begleiter,
Helfer und Führer auf seinen Seelenreisen in geistige Welten
war.
|
|
Links: Die „Räbin" Blacky
weist Hans zurecht. Ganz li.: Müller erklärt, welches
Flugkunststückchen Huckebein ausführen soll. Die
absolute Zuverlässigkeit dabei macht den Raben zum begehrten
Film-„Star" |
Nach und nach enthüllt mir Müller, wie
tief er sich tatsächlich mit seinen Kolkraben verbunden fühlt.
Er glaubt mittlerweile, daß nicht nur Menschen, sondern auch
viele Tiere eine seelische Entwicklung mit mehreren Wiedergeburten
durchlaufen. Unter ihnen würden die Raben zu den intelligentesten
und am weitesten entwickelten „Seelen" gehören.
Der schlechte Ruf, den sie heute immer noch - als Unglücksboten
- haben, beruhe auf einem Irrtum aus dem späten Mittelalter:
Als Aasfresser trieben sich Raben häufig an Galgen und Richtstätten
herum, so daß man sie als „Totenvögel" ansah.
Zudem hat das Christentum sie als heidnisches Symbol in den Bereich
des Bösen verdrängt und zum „Komplizen des Teufels" gemacht.
Für Müller ist Hans Hukkebein dagegen eine besonders „hohe
und entwickelte Seele" unter den Raben; Müller geht sogar
so weit, daß er ihn als Mitautor eines gemeinsamen Buches
ansieht*. Daß Hans darin Erlebnisse in der Ich-Form erzählt,
sei nicht einfach nur ein literarischer Kniff; zum Teil ginge der
Inhalt auf tatsächliche „Berichte" des Raben im
Rahmen telepathischer Kontakte zurück. In solchen „Gesprächen" mit
Hans interpretiere er, so Müller, nicht etwa die verschiedenen
Krächzlaute des Raben, sondern kommuniziere mit ihm auf telepathischem
Wege. Er müsse sich dabei auf jeden seiner Raben individuell
einstellen; eine allgemeine „Rabensprache" gebe es bei
einer solchen Gedankenverbindung nicht.
*Hans Huckebein und Roland Georg
Müller: "Großes Rabenbuch" Band 1 (Band 2
in Vorbereitung), erhältlich nur über Autor Roland Georg
Müller, Rue de la Paix 18, CH-1400 Yverdon
All dies läßt sich freilich von einem
Beobachter nicht überprüfen. Diesen Aspekt seines Zusammenlebens
mit den Raben möchte Müller auch gar nicht an die große
Glocke hängen. „Ich bemühe mich, nach den vier
geistigen Säulen von Salomons Tempel zu leben: Wollen, Wagen,
Wissen - und als viertes Schweigen", erklärt mir der
Rabenvater. Viel wichtiger sei es ihm, zu vermitteln, wieviel der
Mensch durch eine neue Form der Gemeinschaft mit Tieren gewinnen
kann. „Mein tägliches Leben wäre ohne die Raben
sicher unvollständig, leer und von geistiger Armut geprägt
gewesen", bekennt er. Froh wäre er, wenn mehr Menschen
versuchen würden, in einen tieferen Austausch mit ihren Tieren
zu kommen. „Die Tiere wollen mit uns in Kontakt treten, mit
uns sprechen. Es macht sich nur kaum jemand die Mühe, herauszufinden,
was sie uns mitteilen wollen."
Bildquellen: ©Roland Müller, ©Ulrich Arndt
|